Erinnerungen an Rüdersdorf
Viele Rüdersdorfer leben heute weit entfernt von ihrem Heimatort. Sicher stellt sich auch gelegentlich etwas Heimweh ein. So erreichte uns ganz spontan eine Nachricht von einer ehemaligen Rüdersdorferin, die heute in Hamburg lebt. Sie schilderte uns Erinnerungen an Ihre Zeit in Rüdersdorf.
Das brachte uns auf den Gedanken, Ihnen liebe Besucher unserer Internetseite, die Gelegenheit zu geben, uns Ihre Erinnerungen mitzuteilen, die wir dann an dieser Stelle veröffentlichen. Gern können Sie uns auch ein Bild mitschicken, sofern sie daran die Urheberrechte haben.
Da wir für unsere Seite medienrechtlich verantwortlich sind, hoffen wir auf Ihr Verständnis dafür, dass wir in Abstimmung mit ihnen möglicherweise Änderungen vornehmen müssen.
Erster Erinnerungsbericht:
Liebe Heimatfreunde aus Rüdersdorf,
ich habe mich gefreut, die Website der Heimatfreunde Rüdersdorf e.V. gefunden zu haben, was mich dazu inspirierte, ein paar Worte an Sie zu schreiben.
In den Räumen der ehemaligen Bibliothek im Kulturhaus habe ich unzählige Stunden verbracht, weil ich als Kind schon eine „Leseratte“ war. Ich rieche noch das Holz der Regale und das Bohnerwachs des Bodens…
… aber von Beginn an:
Mit Rüdersdorf verbinde ich viele schöne Erinnerungen an eine unbeschwerte Kindheit
Geboren wurde ich im Juli 1961 im Rüdersdorfer Krankenhaus an der B1, welches schon lange nicht mehr steht.
Aufgewachsen bin ich mit meinen Eltern, drei Geschwistern, meiner Tante und meinem Onkel, meinen Großeltern und einer Großtante in einem Haus „An den Windmühlen 1“ in Alt-Rüdersdorf. Das Haus war also nur von Familienangehörigen bewohnt. In einem kleineren Haus am Fuße des Grundstückes wohnte noch eine andere Tante mit ihrer Familie.
Ich hatte eine wundervolle Kindheit auf einem riesigen Grundstück mit angrenzender Obst-Plantage - mitten in der Natur. Auf dem Grundstück stand noch eine alte eiserne Windmühle, die wir nicht betreten/beklettern durften. Neben dem Grundstück fuhren wir im Winter auf dem Rodelberg direkt an einen Wald heran, welcher an unser Grundstück grenzte.
In höheren Bäumen hatten mein Vater und Onkel einen „Hochsitz“ gebaut, von dem wir schon weit über die Felder sehen konnten, ob „Besuch“ im Anmarsch auf der Straße An den Windmühlen war.
Der Plantagen-Pächter war Herr Just. Herr Just „schenkte“ mir als Kind einen Apfelbaum, bzw. erklärte, dass dies nun meiner sei, und ich so viele Äpfel davon naschen könne, wie ich wollte. Unter dem Baum habe ich oft gesessen und gespielt.
Später (so etwa mit 50 Jahren) habe ich versucht, den Baum wieder zu finden, denn einige Bäume stehen dort noch. Allerdings führte mich mein kindliches Erinnerungsvermögen nicht zu dem Baum, dessen Äpfel klein, dunkelrot und besonders lecker waren. Ich habe ihn nicht gefunden…
Ab September 1968 kam ich in die Grundschule in Alt Rüdersdorf, in welcher heute eine KITA ist. Ich fuhr täglich mit dem Fahrrad. Zur Schule bergab ging das prima – nur nach Hause bergan, habe ich als anstrengend in Erinnerung.
Zum Einkaufen führte ein Fußweg, der Grundsteig, über die „Brache“, den „Rennsteig“ hinab zum Kesselsee in die Redenstraße.
Auf der Redenstraße, beginnend an der schönen alten LÖWEN- Apotheke am Markt/Kesselsee, wo die Straßenbahn wendete, waren viele Geschäfte, die ich noch gut in Erinnerung habe. Hier habe ich meine erste Brille beim Optiker „Meier“ bekommen. In einer Nebenstraße war eine Fleischerei, wo meine Oma gerne einkaufte und ich manchmal auf die Hand ein Wiener Würstchen bekam.
Ach ja – die Straßenbahn: war eine alte Rumpelbahn bei der die Fahrer die Weichen von Hand stellen mussten und im Laufe der Strecke verschiedene Stab-Übergaben stattfanden, um sicher zu sein, dass die Weichen auf „rot“ oder „blau“/“grün“ waren (ich erinnere die Farben nicht mehr ganz sicher).
Unsere Straßenbahn war (und ist auch heute noch) die Verbindung nach Friedrichshagen, wo wir manch mal Einkäufe in der Bölsche Straße tätigten. Anschließend gab es noch ein Mittagessen in einer der dortigen Gaststätten (am besten: draußen sitzen!). Dort habe ich meine erste „Berliner Weiße“ bekommen – und dann immer zum Mittag, aber nur, wenn ich aufgegessen hatte.
Im November 1968 mussten wir alle das Haus An den Windmühlen räumen, weil es zu dicht am Tagebau stand und durch die dortigen Sprengungen schon Risse in der Fassade hatte.
Als es leer gezogen war, wurde es schon bald abgerissen.
Meine Eltern zogen mit ihren vier Kindern in die Gutenbergstraße Nummer 15: Hier wohnten wir in einer alten Villa. Zwei sogenannte „kinderreiche“ Familien hatten hier ein neues zu Hause bekommen – wir im Obergeschoß und eine zweite Familie im Erdgeschoß.
Dieses Haus mit all seinen Ecken, Nischen, Anbauten und einem Treppenturm war für uns Kinder ein Spielparadies. Den Treppenturm nannten wir „Ritterburg“ und einige Nebenräume „Pferdeställe“. In den „Pferdeställen“ waren Ringe in den Wänden befestigt, und wir stellten uns vor, dass der Villenbesitzer früher seine Pferde genau dort angebunden hatte.
Auch ein Tischtennisraum im Keller, ein riesiger Garten und ein großer Eingangsbereich mit Kamin gehörten zu dem großzügigen „Schloss“ dazu.
Leider haben wir keine Fotos von der Villa, welche schon lange dem Erdboden gleich gemacht wurde.
Das Leben in der Gutenbergstraße war recht abgeschieden. Obwohl am Ende das Chemiewerk war, war es aber am Wochenende sehr ruhig und fast wie eine Spielstraße. Es wohnten ja auch viele Kinder dort – nicht nur in „unserer“ Villa. Wir veranstalteten Federballturniere, fegten die komplette Straße von Hand, um ungehindert mit Rollschuhen fahren zu können oder ließen alte Eisen-Kugeln aus den Drehrohröfen der Zementwerke mit Schwung die etwas abschüssige Straße hinabrollen – wer kann am weitesten?
Im Sommer war täglich das Baden im Heinitzsee angesagt und manchmal auch in den Kanälen, die zu den Werken führten (Strausberger Kanal) oder im Stienitzsee. Seltener fuhren wir mit dem Fahrrad an den Kiessee in Lichtenow, weil im nahe gelegenen Zinndorf Verwandte wohnten und auch noch heute wohnen.
Vor allem der Heinitzsee war ein Badeparadies mit glasklarem Wasser und großzügigen Badewiesen. Hier wurden auch Filme gedreht, von deren Kulisse wir einmal eine Plastik-Palme geschenkt bekamen, die jahrelang neben einer Vogelvoliere meines Vaters stand – bis sie vom Zementstaub zerfressen war.
Einige Jahre später zogen wir um - in die Gutenbergstraße Nummer 5 (nur nach gegenüber) – ein Haus für die Familie auf „eigenem“ Grundstück – gemietet von den Zementwerken, wo mein Vater tätig war. Auch Oma konnte dort im höheren Alter untergebracht werden und hatte zwei kleine Zimmer mit eigener Küche.
Nach dem Abitur habe ich 1980 Rüdersdorf verlassen, um ein Studium in Rostock zu absolvieren. Dort lebte ich dreißig Jahre, und ich wohne inzwischen schon fast 10 Jahre in Hamburg.
Meine Eltern, mein Bruder und zwei Tanten wohnen noch heute in Rüdersdorf, weshalb ich dazu komme, das eine oder andere Mal durch Rüdersdorf zu fahren und in meinen Erinnerungen zu schwelgen.
Hamburg, 17.10.2019
Dieser Gasthof stand an der Einmündung der Gutenbergstraße in die B1. Er galt als das Geburtshaus des Komponisten Giacomo Meyerbeer.
Leider ist diese Gedenktafel schon seit vielen Jahren verschollen.
Zweiter Erinnerungsbericht
Meine interessanten Schulwege in Rüdersdorf
Hallo liebe „Rüdersdorf-Interessierte“. Ich bin seit 1958 in Rüdersdorf aufgewachsen und habe dort an verschiedenen Orten, immer im Umfeld der Kalk-, Zement- und Chemieindustrie, meine Kinder- Jugendzeit verbracht. Heute lebe ich in der Nähe von Rüdersdorf in einem Ort des ehemaligen Heidedistriktes II der unter Rüdersdorfer Verwaltung stand. Rüdersdorf und Forst gehören zusammen wie Rüdersdorf und Kalksteinabbau. Durch den Forst kam ich irgendwann auf das ehemalige, in Alt Rüdersdorf gelegene, Jagdschloss Kurfürst Joachim II. Da es unmittelbar an meinem ersten Schulweg gelegen hatte, suchte ich auch andere interessante, teilweise verschwundene, Orte entlang meiner Schulwege von 1964 bis 1976. Ich beschloss darüber zu schreiben.
Schulweg I: An den Windmühlen – Polytechnische Oberschule Alt Rüdersdorf
Wir wohnten in der Straße An den Windmühlen etwa 500 m von der Kreuzung mit der Karl-Liebknecht-Straße entfernt. Unser Haus stand etwa 100 m zurückgesetzt in einem Garten voller Apfel- und Kirschbäume. Die Häuser waren eigentlich sehr stabile massive Bauten. Das Haus in dem wir wohnten war ca. 10 x 15m² mit zwei Etagen und einer Veranda davor. Es wurde von meinen Großeltern, meinem Onkel sowie unserer Familie bewohnt. Hier begann für vier Jahre mein Schulweg. Die ersten 500 m waren Natur pur. Rechts und links des Weges, in weitem Teilen ein Hohlweg, gab es nur Felder und Kopfweiden. Einige davon stehen noch heute. Im Sommer war bei trockenem Wetter kaum etwas Aufregendes zu erleben. Aber im Winter fühlte man sich als kleiner Steppke von 6 bis 8 Jahren zeitweise wie in der Antarktis. Die Schneewehen; durch den Hohlweg begünstigt; behinderten das Vorankommen. Teilweise war der Weg unpassierbar. An Schneeräumen war aufgrund der Abgelegenheit kaum zu denken. Was mir noch auffiel, war ein Windrad auf einem Mast aus Stahl. Wozu es diente, war mir nicht klar. Nach dem ersten Wegabschnitt gelangte ich dann zur Gärtnerei Rahn. Hier konnte ich in den genannten Jahren einmal die seltene Ansicht einer blühenden „Königin der Nacht“ miterleben. Mein Onkel, er wohnte in der Herzfelder Straße neben der Gärtnerei, und viele Erwachsene „fieberten“ diesem Erblühen entgegen. Was aufgrund der Seltenheit und Kürze auch verständlich ist.
Mein Schulweg führte mich weiter in Richtung Mühle. Diese befand sich links an der Karl-Liebknecht- Straße und war nicht von Wind getrieben. Ich denke hier war eher die Elektrizität die Triebkraft. Jedenfalls unmittelbar daneben lag die Gaststätte „Zur Mühle“. Ich kann mich an die Leuchtreklame und den großen Saal erinnern, in dem regelmäßig die Ausstellungen des Kleintierzüchterverbandes stattfanden. Hier konnte ich auch mein erstes Puppentheater sehen. Leider habe ich vergessen, um welches Stück es sich handelte. Jedenfalls war es, glaube ich, eine Märchenaufführung. Weiter den Schulweg hinunter lag und liegt noch heute die Bäckerei Lehmann. Von hier wurde durch meinen Onkel Brot an Verwandte bis nach Zinndorf gebracht. Sie hatten keine Bäckerei im Ort und waren des Konsumbrotes überdrüssig.
Neben der Bäckerei befand sich die Jugendherberge. Dahinter gab es schon damals einen Kinderspielplatz mit Wippe und dem typischen Kletterturm mit Blechdach.
Dann kam man am Kriegerdenkmal für die Gefallenen des I. Weltkrieges vorbei und sah vor sich die Kalksteinkirche.
Nun war mein Schulweg auch schon beendet. Die Schule selbst war eine schöne alte Schule. Die Bänke sahen aus, wie in alten Filmen. In jedem Tisch gab es ein Tintenfass mit Schiebedeckel. Kippeln war auf den miteinander verschraubten Bänken nicht möglich, dafür knarrten sie bei jeder Bewegung.
Besonders beeindruckend fand ich die Aula. Sie war sehr groß und hatte oben abgerundete Fenster.
Für den Rückweg am Nachmittag wählte ich meist die andere Straßenseite. Hier waren linksseitig schöne Klinkerhäuser zu sehen. Etwa 300 m weiter befand sich ein aus Kalkstein gemauerter Torbogen, der mal zu einem Schloss gehört haben soll.
Dann ging es durch einen Fußweg nach links hinter die Gärten der an der Karl-Liebknecht-Straße liegenden Häuser. Ab hier führte ein Feldweg am Gehöft des Bauern Hentze vorbei wieder auf die Straße an den Windmühlen. Bei starkem Regen war dieser nicht zu empfehlen.
Soweit mein Schulweg, den ich bis zum Herbst 1968 gegangen, gefahren und gerannt bin, wenn es knapp wurde oder wir etwas ausgefressen hatten.
Im Jahr 1969 wurden wir wegen des zunehmenden Bedarfes an Zement und Kalk für den Wohnungsbau umgesiedelt. Auch zeigten sich an unserem Wohnhaus erste Schäden durch die Sprengungen im Tagebau.
Lutz H.
Die Bilder zum Schulweg
Diese letzte Windmühle in der Straße an den Windmühlen stand dort bis ca. 1930.
Lutz H. hat sie also nicht mehr gesehen. Bild: Archiv Rüdersdorfer Heimatfreunde e.V.
Wohnhaus - An den Windmühlen 1 Bild: Lutz H. (privat)
Der Hohlweg Bild: Lutz H. (privat)
Das Windrad zur Förderung von Wasser ohne elektrischen Betrieb Bild: Lutz H. (privat)
Die Königin der Nacht, wie sie in der Gärtnerei Rahn erblühte
Bild: https://de.wikipedia.org/wiki/Epiphyllum
(Foto: Mats Winberg, CC BY-SA 2.5)
Die Mühle Duckert in Alt Rüdersdorf Bild: Archiv Rüdersdorfer Heimatfreunde e.V.
Gaststätte „Zur Mühle“, Bild 1 Bild: Archiv Rüdersdorfer Heimatfreunde e.V.
Gaststätte „Zur Mühle“, Bild 2 Bild: Archiv Rüdersdorfer Heimatfreunde e.V.
Die Jugendherberge Bild: Archiv Rüdersdorfer Heimatfreunde e.V.
Kriegerdenkmal vor der Rekonstruktion Bild: Archiv Rüdersdorfer Heimatfreunde e.V.
Dorfkirche (Hoffnungskirche) in Alt Rüdersdorf Bild: Archiv Rüdersdorfer Heimatfreunde e.V.
Das Schulgebäude in Alt Rüdersdorf, damals Bild: Archiv Rüdersdorfer Heimatfreunde e.V.
Das Schulgebäude in Alt Rüdersdorf im Jahre 2001 Bild: Reinhard Kienitz
Nur die Deckenbalken erinnern noch an die einstige Aula. Bild: Reinhard Kienitz
Mittlerer Treppenaufgang mit blauem Brunnen. Bild: Reinhard Kienitz
Der blaue Brunnen Bild: Reinhard Kienitz
Der Torbogen zum ehemaligen Schlossgelände Bild: Archiv Rüdersdorfer Heimatfreunde e.V.
Was noch nachzutragen bleibt:
- Das Windrad diente zur Förderung von Wasser auf direktem Wege ohne eine elektrische Pumpe. Das Wasser wurde in einem Becken gespeichert und diente zur Versorgung einer Schweinemästerei im Tagebaubereich.
- Das Kriegerdenkmal für die im ersten Weltkrieg gefallenen Rüdersdorfer wurde in den Jahren 2013 und 2014 saniert. Die Wiedereinweihung fand auch in Anwesenheit von Vertretern der französischen Partnerstadt Pierrefitte statt.
- Zum Jagdschloss:
Leider ist dieses ca. 1551-1553 aufgebaute Jagdschloss oder -haus des Kürfürsten Joachim II im Jahre 1580 abgebrannt. Es wurde ca. 1590 wieder aufgebaut aber bald schon wieder abgerissen und nie mehr errichtet.
Ein Beleg für diese Aussage findet man in der Dissertation von Oda Michael )1
Im Tagebuch des Festungsbaumeisters Graf Rochus zu Lynar steht zu lesen: “Am selben Tage (5. Mai 1590) war ich dann bis gen Rüdersdorf gefahren, habe Ms. Peter Nivoron Baumeister angewiesen und denn ihm allenthalben befohlen was er machen soll”)
In der Arbeit heißt es weiter: „Da der Kurfürst in Rüdersdorf ein Jagdhaus besaß, welches laut Nicolai und Borrmann 1580 abgebrannt war, so dürfte es sich um den Wiederaufbau dieses Gebäudes durch Niuron handeln.“
In der Dissertation wird vermutet, dass links und rechts des Weges zum Schloss hinter dem Torbogen Hofküche, eine Kornschreberei mit Malzboden, ein Torhaus, ein Gefängnis mit Voigtswohnung gestanden haben könnten.
)1 Die Werkmeisterfamilie Bernhard, Peter und Franz Niuron - ihr Wirken in Schlesien, Anhalt und Brandenburg im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert im Spiegel historischer Quellen; Inauguraldissertation zur Erlangung des akademischen Grades Dr. Phil; Oda Michael M.A.; Martin- Luther- Universität Halle- Wittenberg, 2006; S. 62/63
Rüdersdorfer Heimatfreunde e.V.