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Einsatz von Strafgefangenen

Modell

Modell von der Rüdersdorfer Strafvollzugseinrichtung für die Ausbildung des Wachpersonals       

Bild: Rüdersdorfer Heimatfreunde e.V.

 

Strafgefangene in den Zementwerken 2 und 3 – wie es wirklich war

Bedingt durch den ständigen Mangel an Arbeitskräften für die schweren Arbeiten im Tagebau, in den Zementwerken, im Kalkwerk und im Betonwerk gab es in Rüdersdorf am gleichen Ort ab 1930 erst ein Fremdarbeiterlager, dann ein Lager für Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter und später eine Strafvollzugseinrichtung der ehemaligen DDR.

Über die Rüdersdorfer Strafvollzugseinrichtung wird in den Medien oft an Hand von Erlebnisberichten immer wieder sehr kritisch berichtet. Wir als Rüdersdorfer Heimatfreunde wollen zur Aufarbeitung dieses düsteren Kapitels beitragen und haben einen Erfahrungsaustauch zwischen Heimatfreunden, ehemaligen Mitarbeitern, Führungskräften aus dem Zementwerk, die mit Strafgefangenen lange zusammengearbeitet haben, und einer Redakteurin der Märkischen Oderzeitung organisiert. Das Gespräch am 04.05.2023 ergab folgende Informationen:

  • Vorrangig waren Kriminelle, wie Diebe, Betrüger, Gewalttäter und auch Sexualstraftäter inhaftiert. Unter den Häftlingen waren auch Führungskräfte aus Betrieben, die Versäumnisse begangen haben, die Schäden an Personen oder Sachwerten zur Folge hatten. In Rüdersdorf wurden auch Wehrdienstverweigerer, wie die Zeugen Jehovas inhaftiert. Nicht zuletzt befanden sich Personen unter den Häftlingen, die nicht bereit zur Arbeit waren, denn es gab in der DDR das Recht auf Arbeit und die Pflicht zur Arbeit. Der Anteil von Strafgefangenen wegen versuchter „Republikflucht“, war vergleichsweise gering.
  • Es erfolgten mehrere Amnestien. Nur wenige Tage, bzw. Wochen später waren sehr viele der Strafgefangenen wieder zurück.
  • In der Strafvollzugseinrichtung selbst (Adresse: Am Bruch 6) führten Funktionshäftlinge, als Kapos bezeichnet, die Regie im Alltag. Sie gingen nicht selten brutal gegen ihre Mitgefangenen vor. So gab es oft Schlägereien aus nichtigen Gründen. Es standen den Häftlingen Notschalter zur Verfügung, um in extremen Fällen Hilfe zu holen. Tiefere Einblicke in die Zustände in der Haftanstalt haben die Teilnehmer an der Gesprächsrunde nicht.
  • In den Zementwerken arbeiteten die Strafgefangenen mit den zivilen Mitarbeitern unter den gleichen belastenden Arbeitsbedingungen wie Lärm, Hitze und Staub zusammen. Weil die Aufenthaltsdauer der Strafgefangenen meist gering war, etwa nur ein Jahr, führten sie nur Anlerntätigkeiten aus. Strafgefangene mit längerer Haftzeit wurden bei entsprechender Eignung qualifiziert, z.B. zum Hebezeugführer mit Qualifikationsnachweis für den späteren Einsatz in anderen Betrieben.
  • Wirklich gefährliche Arbeiten wurden den Strafgefangenen nie allein übertragen, wenn sie überhaupt daran mitgewirkt haben. So hat es unter den tausenden von Strafgefangenen, die in den rund 30 Jahren die Zementwerke durchlaufen haben, keinen tödlichen Arbeitsunfall gegeben, der in Folge einer konkreten Tätigkeit geschehen ist. Leider sind im Zementwerk 3 drei Strafgefangene bei einem Dacheinsturz ums Leben gekommen.
  • Der Staub in den Zementwerken war für alle sehr belastend, schädigte aber die Lunge nicht. Es ist nicht bekannt, dass durch die Steinbruchs Berufsgenossenschaft berufsbedingte Lungenerkrankungen von Zementwerkern wegen der Staubeinwirkung entschädigt werden mussten. Das berichtete ein Teilnehmer in der Runde, der über 10 Jahre selbst im Rentenausschuss der Steinbruchs Berufsgenossenschaft tätig war und dadurch einen gewissen Einblick hat. Durch das Vorhandensein von Chromatverbindungen im Zement können in seltenen Fällen allergische Hautreaktionen, die Zementkrätze, ausgelöst werden. Praktische Fälle sind nicht bekannt.
  • Arbeitsschutzmittel, wie Helme und Gehörschutzwatte, standen Strafgefangenen und zivilen Mitarbeiten gleichermaßen zur Verfügung. Staubmasken gab es grundsätzlich nicht.
  • In den Zementwerken wurden die Strafgefangenen von den zivilen Mitarbeitern als Kollegen betrachtet, mit denen sie zusammengearbeitet haben. Irgendwelche Schikanen sind nicht bekannt. Die Strafgefangenen waren in dem weitläufigen Gelände nicht ständig unter Beobachtung. So haben sie sich gelegentlich mit selbst gebauten Tauchsiedern Tee gekocht oder HQL-Lampen zu Höhensonnen „umgebaut“.  Die Hörmuscheln von Telefonen wurden zu Detektorempfängern. Strafgefangene und zivile Mitarbeiter haben das gleiche Werkessen bekommen. Wegen dieser und anderer „Annehmlichkeiten“ sind viele Strafgefangene, auch wenn sie etwas krank waren, lieber zur Arbeit in den Betrieb gekommen, als im Objekt geblieben. Daher gab es im betrieblichen Berichtswesen zwei Krankenstände, mit und ohne Strafgefangene.
  • Der Betrieb musste die Strafgefangenen nach Tarif bezahlen. Die Löhne wurden an die Strafvollzugseinrichtung überwiesen. Auf die Verteilung der Gelder dort hatte der Betrieb keinen Einfluss. Der Betrieb hat nicht an dem Einsatz der Strafgefangenen verdient.